Zirbe am Schachen (Bayern, bei Garmisch-Partenkirchen/Schloss Elmau)
Baumart | Zirbe, Arve (Pinus cembra) |
Standort: | auf dem Schachen in 1900 m über Meereshöhe, im Alpengarten nahe dem Schachenhaus und Königshaus, geöffnet ca. Mitte Juni bis Mitte Sept., Baum etwa 8 m vom Eingang entfernt (vom Zaun links neben Eingang aus jederzeit gut sichtbar), an darunter stehender Bank zu erkennen |
Alter: | ca. 270 Jahre |
Stammumfang: | 2,70 m in 1,55 m Stammhöhe (Taille, gemessen Sept. 2023) |
Höhe: | ca. 13 m |
GPS-Daten: | N 47.420680, 11.112392 |
NEB seit: | 28. Juni 2024 (Bericht & Fotos) |
Dieser nun ausgewählte Baum ist zwar längere Zeit des Jahres nicht direkt zugänglich durch seinen Standort im Alpengarten, aber die Baumtafel befindet sich am Zaun und ist daher wie der Baum ganzjährig sichtbar. Zudem steht diese Zirbe dort stellvertretend für all die vielen alten Zirben im Freiland in der Umgebung: Es wachsen dort oben sogar etliche Zirben mit über 4 m Stammumfang und also einem Alter von über 400 Jahren auf den Bergwiesen, aber die Natur ist dort zu sensibel, um diese Champions hier mit genauer Position bekannt zu machen. Somit wird nun hiermit auch dieser Alpengarten gewürdigt und bekannter gemacht, was ein sehr schöner Nebeneffekt ist. Man kann vor dem etwa vierstündigen Fußmarsch bergauf (etwa 1000 m Höhenunterschied) dorthin klären, ob der Garten geöffnet ist: https://botmuc.snsb.de/alpengarten-schachen/, denn das ist nur immer etwa von Mitte Juni bis Mitte September täglich von 8-17 Uhr der Fall – aus verständlichen Gründen wegen des dort oben sehr rauen Klimas etwas variabel. Man kann dort auch Gruppenführungen online bestellen.
Das Interessante und Schöne im Alpengarten ist auch, dass es dort aus der Höhenlage eine Zirben-Stammscheibe gibt, die zeigt dass die Zirbenstämme dort ziemlich genau 1 cm je Jahr im Umfang zunehmen, also bei 100 Jahren einen Stammumfang von einem Meter haben, was einem Durchmesser von 32 cm entspricht. Man kann die Jahrringe auf der Stammscheibe nachzählen – unsere ‚Miss Cembra‘ müsste daher also mit ihren 2,70 m Stammumfang etwa 270 Jahre alt sein.
Zirben, Ziebelkiefern oder Arven (das ist dasselbe) sind an ihren 5-zähligen Nadelbüscheln zu erkennen, die silbrig glänzen und sich sehr weich anfühlen. Die Baumart hat ihre natürliche Nische im Bereich der Waldgrenzen in den Alpen, weil sie nur dort allen anderen Baumarten im Konkurrenzgeschehen und Überlebenskampf (wegen der niedrigen Temperaturen) überlegen sind. Das ist ungemein faszinierend und beeindruckend, und jeder Zirbenbaum hat daher eine ganz einmalige Gestalt infolge seiner individuellen Lebens- und Überlebensgeschichte. Die Bäume können bereits bei 0°C Photosynthese betreiben und dann also Zucker produzieren, ihre Frosthärte beträgt -45°C und sogar im Sommer noch -10°C ohne Schäden – das sind Extremwerte unter den einheimischen Baumarten. Zudem kann im Winter bei Plusgraden oder Sonnenschein der auf Zweigen liegende Schnee tauen und daraus Wasser direkt über die Nadeln und Zweigoberflächen aufgenommen werden. Die hochspannende Doktorarbeit einer Innsbrucker Botanik-Wissenschaftlerin hat kürzlich gezeigt, dass das vom Schnee aufgenommene Wasser dann rückwärts durch die gesamte Krone zu den unteren Zweigen transportiert werden kann, damit diese nicht vertrocknen – der untere Stammabschnitt von und zu den Wurzeln ist dann die meiste Zeit gefroren, so dass kein Wasser von unten aus dem Boden kommen kann. Dieser Vorgang ist von keiner anderen Baumart bekannt und fasziniert mich ungeheuer.
Die attraktiven blauvioletten, mit Harztropfen blitzenden Zirbenzapfen brauchen 3 Jahre bis zur Reife, sie enthalten dann die wohlschmeckenden, nahrhaften Samen, die Zirbelnüsse genannt werden. Tannenhäher (= Alpenhäher) sind Tag für Tag immerzu damit beschäftigt, sie zu knacken und zu fressen oder sie zu verstecken – die Winter sind sehr lang dort oben. Wenn Sie darauf achten (möchten), lohnt es den Alpenhähern eine Weile zuzusehen, da sie ständig und ganz besonders im Spätsommer und Herbst mit dem Verstecken der „Zirbelnüsse“ beschäftigt sind. Danach vergessen sie dann immer etliche ihrer Verstecke (als wäre es beabsichtigt), und diese Samen keimen dann z.B. häufig aus vergessenen Felsritzen, was zahlreiche malerische Zirben auf Felsen zur Folge hat (Bilder 8 und 10). Neuere intensive Untersuchungen in der Schweiz haben ergeben, dass ein Tannenhäher pro Jahr zwischen 45.000 und 100.000 Zirbensamen versteckt und dabei bis zu 15 km weit fliegt – das ist einfach unglaublich. Aber es kommt noch besser: von diesen Samenmengen werden 80% wiedergefunden, auch wenn sie von den Vögeln oft unter einer Schneedecke ausgegraben werden müssen!
Wie wandert man zu den Zirben am Schachen? Am besten geht es vom Wanderparkplatz am Schloss Elmau auf dem geschotterten Fahrweg etwa 3-4 Stunden gleichmäßig bergan, und wenn es dann nach 3 Stunden beginnt ein bisschen eintönig zu werden, öffnet sich der Wald (bald hinter der Abzweigung nach links zur Wettersteinalm), und es treten immer mehr Einzelbäume in Erscheinung, darunter auch die ersten und dann immer mehr Zirben. – Alternativ kann man auch direkt von Garmisch-Partenkirchen an der Olympia-Sprungschanze starten durchs Partnachtal (falls die berühmte Klamm dort gerade nicht geöffnet ist, muss man einen Umweg über Graseck mit zusätzlichem Auf- und Abstieg in Kauf nehmen), und danach geht es dann „ohne Ende“ steil bergauf mit 1.100 m Höhenunterschied, auf einem beeindruckenden Kälbersteig-Trampelpfad in Serpentinen am Steilhang. Man kommt schließlich etwa eine Stunde vor Erreichen des Ziels am Schachen auf den zuvor beschriebenen Fahrweg vom Schloss Elmau.Den Aufstieg dorthin wird man auch außerhalb der Öffnungszeiten des Alpengartens nicht bereuen, dabei nur bitte die Wege nicht verlassen, wo man sich im Naturschutzgebiet befindet. Hin und zurück kommen dann etwa 10-12 Stunden Outdoor-Bewegung zusammen, mit Einkehr im Schachenhaus und/oder in der Wettersteinalm: beide sehr empfehlenswert, wenn man schon dort oben ist – die lokalen Berg-Spezialitäten sollte man sich nicht entgehen lassen, außerdem schmeckt dort oben in der dünnen Luft einfach alles besser…
Zirbenholz ist trotz enger Jahrringe erstaunlich leicht und weich, da der größte Anteil aus Frühholz mit dünnen Zellwänden besteht, zur Spätholzbildung reicht dann meist die Länge der Vegetationsperiode dort oben nicht. Zirbenholz riecht zudem unverwechselbar aromatisch und wird daher z.B. für Möbel wie Betten und Gebrauchsgegenstände wie Brotdosen genutzt, man sagt ihm sehr viele positive Eigenschaften für das Wohlbefinden (gegen Stress und für gesunden Schlaf) in geschlossenen Räumen und vor allem in Wohnstuben und Schlafzimmern nach. Das Holz der Zirbe ist seit altersher sehr begehrt und die Nachfrage in neuerer Zeit so gestiegen, dass in den Alpen ein weiterer Rückgang des Bestandes befürchtet wird. In Deutschland sind daher alle Zirbenbestände dort oben streng geschützt, weshalb hier auch keine Einzelbäume vorgestellt werden.
In der Berghütte Schachenhaus kann man neben vielen weiteren Leckereien übrigens auch Zirbenschnaps erstehen und ihn dann abends nach dem Abstieg probieren…
Text und Bilder: Andreas Roloff, TU Dresden