Collmer Linde (Landkreis Nordsachsen)
Baumart | Sommer-Linde (Tilia platyphyllos) |
Standort: | im Dorf Collm, Ortsteil der Gemeinde Wermsdorf (Landkreis Nordsachsen), direkt an der Kirche auf dem Kirchanger am Dorfplatz/Kirchberg |
Alter: | ca. 800 Jahre |
Stammumfang: | 11,05 m in 1,3 m Stammhöhe (gemessen Okt. 2022) |
Höhe: | ca. 25 m |
GPS-Daten: | N 51.302758, O 13.018747 |
NEB seit: | 22. Okt. 2022 (Bericht & Fotos) |
Im kleinen Dorf Collm am Fuße des gleichnamigen Berges (312 m ü. NN) in der Nähe von Oschatz gibt es ein Naturdenkmal, welches kaum ein Wanderer links liegen lässt. Es ist die sog. „1000-jährige Linde von Collm“. Direkt vor der kleinen romanischen Kirche überspannt die noch immer majestätische Krone dieser Sommer-Linde (Tilia platyphyllos) den südlichen Teil des Friedhofs. Schon wieder ein angeblich tausendjähriger Methusalem, mag so manch einer fragen. Und die Bedenken sind berechtigt. Schon seit 200 Jahren wird sie als „Tausendjährige Linde“ bezeichnet, wofür es aber keine eindeutigen Belege gibt. Bereits 1185 soll sich eine Linde in Chulmice, wie das Dorf damals hieß, befunden haben, als hier nachweislich am Collmberg erstmalig das Landding (Landthing) stattfand, die höchste Gerichtsversammlung des Meißener Landes. Der Markgraf von Meißen kam bis 1259 hierher (nachgewiesen sind 15-mal), um mit den wichtigsten Personen des Landes über Landkäufe, Schenkungen, familiäre Bindungen, Straftaten und ähnliches zu verhandeln. Bei der ersten Versammlung wurden, so die Überlieferung, die Grenzen des 1170 gegründeten Klosters Altzella festgelegt.
Ein Grund, warum die Landdinge gerade in Collm veranstaltet wurden, war möglicherweise die unmittelbare Lage am Collmberg, da diese Landmarke von überall weither sichtbar war und auch ohne Landkarte oder die heute verfügbaren Navigationsgeräte nicht zu verfehlen ist. Im Mittelalter fanden diese Gerichte häufig im Schutz eines Baumes statt, bestand doch die Pflicht, das Gericht unter freiem Himmel abzuhalten. Die zum Schutz der Gerichtsstätten gepflanzten Einzelbäume oder Baumgruppen waren der Häufigkeit nach Linden, Ulmen, Eichen, Fichten und Eschen. Es dominierte die Linde, welcher der Aberglaube besondere vielfältige u. starke magische Wirkungen zuschrieb. So sollte man unter der Linde am sichersten vor Blitzschlag geschützt sein. Für die Wahl der Linde zum Gerichtsbaum schlechthin waren sicher auch ihr hoher Wuchs, ihr rasches Wachstum, ihre lange Lebensdauer und ihr dichtes Blätterdach bestimmend. Dass Landdinge wirklich unter der Collmer Linde stattfanden, ist nicht nachgewiesen und eher unwahrscheinlich. Man geht heute davon aus, dass der in Frage kommende Ort das erst vor einigen Jahren archäologisch erforschte Schloss Osterland sein könnte, ein Ruinenkomplex in der Nähe von Collm.
Belegt ist, dass die örtlichen Gerichtsherren später die Linde als Pranger benutzten. Ein Eisenring wurde dem „Verbrecher“ um den Hals gelegt, und ein Zettel beschrieb seine Verfehlungen. Noch bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts war das Halseisen an der Linde vorhanden. So hat sie zumindest einen Großteil der Ortsgeschichte „miterlebt“, unter anderem die Saujagden des Kurfürsten August II. (des Starken), der diese alljährlich am Collmberg abhielt.
Nach heutigen Erkenntnissen ist die Linde auf ein Alter von ca. 800 Jahren einzuschätzen. Damit ist sie immer noch einer der ältesten Bäume in Sachsen. Obwohl sich der Baum schon lange in der sog. Baumveteranphase befindet, sind seine Ausmaße noch beachtlich. Die Höhenangaben schwankten in den letzten Jahrzehnten zwischen 32 m und 15 m, da die Krone mehrmals zurückgenommen wurde, um deren Auseinanderbrechen zu verhindern. Dabei war der Neuaustrieb des Baumes immer wieder vital, und so hat die heute sichtbare Krone aus kräftigen Sekundärstämmen eine Höhe von ca. 25 m. 1926 und 1953 wurden Ausmauerungsarbeiten mit Bruchsteinen und Beton durchgeführt, um das sich auflösende Kernholz zu ersetzen. Im Jahre 1942 erfolgte eine „Sanierung“ des Baumes, indem u.a. der Wurzelboden aufgelockert wurde. Da man heute weiß, dass Ausmauerungen die Vitalität hohler Baumstämme eher negativ beeinflussen, wurden diese im Jahr 1992 größtenteils entnommen und die Baumkrone noch einmal fachmännisch saniert. Der ursprüngliche Stamm wird mittlerweile durch etliche Innenwurzeln unterstützt. Besonders Linden sind dafür bekannt, in alten und hohlen Baumstämmen neue, sekundäre Wurzeln und Stämme hervorzubringen, die nicht nur für eine verbesserte Stabilität sorgen, sondern zunehmend auch die Versorgung der Krone mit Wasser und Nährstoffen übernehmen.
Der seit dem 17.8.1949 unter Naturschutz gestellte Baum hat heute einen Stammumfang von 11,05 m. Schon Ende des 19. Jahrhunderts, als 10 m gemessen wurden, nutzte man seine imposante Gestalt zum Werbeträger als Vorläufer für das, was wir heute als Crowdfunding bezeichnen würden. 1877 wurde durch die Königliche Kircheninspektion eine Erlaubnis erteilt, an der Collmer Linde eine Sammelbüchse anzubringen. Die Erträgnisse der Lindenbüchse wurden hauptsächlich zur Verschönerung des Gotteshauses verwendet. Schon in jener Zeit war der Baum zusammen mit dem in unmittelbarer Nähe gelegenen Gasthof auch ein beliebtes Postkarten-Motiv.
Das Naturdenkmal ist nicht nur ein Ziel für Wanderer. Der Baum bietet heute Langohrfledermäusen und vielen Insekten, insbesondere Käfern ein Zuhause. Ein beeindruckendes Erlebnis ist es, wenn sich zur Zeit der Lindenblüte tausende Hummeln und Bienen einfinden, um hier ihren Nektarhunger zu stillen.
Text zuvor: aus dem Kalender „Starke Bäume 2021“ (Verlag Quelle & Meyer, Wiebelsheim), September-Blatt von Hans-Roland Müller (geringfügig verändert, gekürzt und aktualisiert)
Der Baum soll nach dem Laubfall intensiv begutachtet werden (dann kann man besser die gesamte Krone durchchecken) und darauf aufbauend wird entschieden, wie stark man ihn einkürzen kann und muss, um sein Auseinanderbrechen zu verhindern. Teile der Kronensicherungen müssen erneuert werden – die Maßnahmen sollen im Spätwinter kurz vor dem Austreiben erfolgen, damit der Baum dann zeitnah auf die Eingriffe reagieren kann. Damit haben wir bei Linden sehr gute Erfahrungen gemacht.
Es handelt sich um einen Baum, der ohne Probleme 1000 Jahre alt werden kann, wenn man sich dauerhaft behutsam um ihn kümmert. Das möchte die Dt. Dendrologische Gesellschaft nun befördern und stellt dafür Sondermittel zur Verfügung.