Dicke Lärche in Brotterode-Trusetal (Thüringer Wald), Thüringen
Baumart | Europäische Lärche (Larix decidua) |
Standort: | südöstlich von Trusetal (Ortsteil der Stadt Brotterode-Trusetal) an dem Waldsträßchen L 2608 im Thüringer Wald, nordöstlich der Ferienhaussiedlung Nüßleshof, in über 500 m Höhe ü. NN; Landkreis Schmalkalden-Meiningen, Thüringen (zwischen 2 Waldwegen) |
Alter: | ca. 280 Jahre (250-300 Jahre, hergeleitet aus Baumgestalt, Standort und Umfeldsituation) |
Stammumfang: | 5,03 m in 1,3 m Stammhöhe (gemessen April 2024) |
Höhe: | ca. 47 m |
GPS-Daten: | N 50.771450, O 10.427450 |
NEB seit: | 8. Juni 2024 (Bericht & Fotos) |
Wie es zu dieser Riesenlärche im Wald bei Trusetal gekommen ist, bleibt ein Geheimnis – niemand weiß dazu etwas Genaueres. Falls es dazu doch noch etwas Interessantes gibt, bitte melden! Aber die Geschichte dieser Baummeldung ist auch ergreifend. Der private Waldbesitzer (von Thüringen Forst betreut) hatte auf unsere Anfrage hin (im Dez. 2020) zur Auswahl seiner Lärche als Nationalerbe-Baum großes Interesse geäußert.
Daraufhin bin ich nach seinen Beschreibungen des Baumes sofort (am übernächsten Tag, war 2. Weihnachtstag) hingefahren, um ihn mir anzusehen. Und habe gejubelt: eine Lärche im besonders schönen gebirgigem Ambiente des Thüringer Waldes, wo sie sich sichtlich wohlfühlt wie sonst kaum irgendwo in Deutschland. Rundherum etliche Fichten abgestorben, in der weiteren Umgebung auch ganze Bestände, aber die Lärche strotzt, als wäre das jetzt die beste Zeit ihres Lebens.
Der Waldeigentümer hat dann bei der Besprechung zu unserer Auswahl seiner Lärche angeregt, den Waldbestand mit der Lärche einzutauschen gegen einen anderen Waldteil der Stadt Brotterode-Trusetal, worauf die Stadt begeistert reagierte, da es eine Attraktion für ihr Umland und Touristen des Thüringer Waldes werden soll. Tja, aber so ein Grundstückstausch dauert natürlich, und so gingen fast 3 Jahre ins Land, bis im Frühjahr 2024 alles plötzlich ganz schnell lief, nachdem der Tausch amtlich vollzogen war. Da der Baum länger „in Warteschleife“ für Thüringen stand, kam er tatsächlich auch sofort dran – die Vereinbarung wurde im April unterzeichnet und nun können wir uns alle über dieses neue Highlight unserer Uraltbäume freuen und es hiermit bekanntmachen: die Ausrufung findet am 8. Juni um 14 Uhr statt.
Dieser Baum ist relativ unbekannt, u.a. da er nicht ganz einfach zu finden und nur etwas mühsam erreichbar ist. Andererseits ist es eine ganz besondere Lärche mit Ihrem Stammumfang und vor allem ihrer Baumhöhe, daher lohnt das Suchen. Außerdem soll es hierzulande starke ältere Lärchen von Natur aus nur im südlichsten Zipfel Deutschlands in den Allgäuer Alpen bei Oberstdorf geben (allerdings habe ich sie dort nicht gefunden, und die Förster auch nicht) – das Bemerkenswerte ist, dass die Lärche deshalb in ganz Deutschland, bis nach Flensburg, als einheimisch gilt, da dies nach Landesgrenzen entschieden wird. Daher passt der Standort in über 500 m Höhe in einem besonders schönen Teil des Thüringer Waldes besonders gut zu ihr. Als ich das erste Mal dort war, lag gerade satt Schnee (s. Bilder), was die Wirkung dieses Baumes erheblich verstärkt. Alte Gebirgslärchen in den Alpen sind oft eindrucksvolle Monumente und Skulpturen – das traue ich dieser Lärche in höherem Alter auch zu. Sie ist nun behutsam von einigen Konkurrenzbäumen freigestellt worden, damit sie ihre Krone besser ausbreiten und etwas nach unten zurückbauen kann, um die Transportwege für das Wasser bis zur Baumspitze zu verkürzen, denn sie muss es derzeit dorthin 47 m hoch transportieren!
Die Europäische Lärche wirft als einzige heimische Nadelbaumart ihre Nadeln im Herbst ab. Eine vollkommen schlüssige Erklärung dafür gibt es nicht, aber sicher ist dies von Vorteil, wenn es im Verbreitungsgebiet einer Baumart entweder extrem kalt oder extrem trocken werden kann. Nur wenige andere heimische Baumarten sind so frosthart wie die Lärche: bis unter -40°C. Der beste Frostschutz für einen Baum ist nun einmal, wenn die Blätter vor dem Winter abgeworfen werden. Das setzt aber voraus, dass der Baum vorher wichtige Nährstoffe aus den Nadeln abzieht – der Grund für die wunderschöne goldene Herbstfärbung der Lärche.
Die Lärche bildet – für einen Nadelbaum ungewöhnlich – Kurz- und Langtriebe. An den sehr früh (bereits im März/April) ergrünenden vielen Kurztrieben stehen bis zu 50 Nadeln dicht gedrängt im Büschel zusammen. Die Langtriebe hingegen erscheinen erst 4 Wochen später und wachsen dann bis zum Spätsommer immer weiter. Da Kurztriebe (und auch die Zapfen!) zu Langtrieben durchwachsen können, besteht ein großes Potenzial der Kronengestaltung und -anpassung.
Der biegsame Stamm erweist sich bei Lawinenabgängen im Gebirge als Vorteil. Die Stammbasis ist dort in Hanglagen oft säbelartig gebogen und kann dadurch malerisch gekrümmt aussehen – das hat schon viele Künstler und Fotografen inspiriert. Oft liegt davor noch ein Felsblock oder Gesteinsschutt, den die Lärchen am Weiterrollen gehindert haben. Die Borke zeigt im Alter eindrucksvolle Plattenstrukturen: die rötlich-braunen Borkeschuppen werden sehr dick und ähneln dann dem nordamerikanischen Riesenmammutbaum. Das ist bei diesem Prachtexemplar besonders eindrucksvoll entwickelt!
Nach neuen Untersuchungen an 30 Baumarten in England ist die Lärche die Baumart mit dem höchsten Potenzial zur Verbesserung der Luftqualität in Städten. Sie ist zudem ein gut geeigneter Garten- und Stadtbaum, da sie viel Licht durchlässt, im Frühling sehr früh austreibt und sich im Herbst sehr spät und leuchtend verfärbt. In den Alpen ist sie zusammen mit dem Berg-Ahorn die beliebteste Hausbaumart und übernimmt dort die Funktion des Schutzpatrons für Haus und Hof.
Wir freuen uns sehr, dass es mit dieser außergewöhnlichen Lärche nach der längeren Wartezeit geklappt hat und wir damit nun auch den 2. Nationalerbe-Baum Thüringens sowie insgesamt 2 Lärchen unter unseren Ehrenbäumen haben!
Text und Bilder: Andreas Roloff, TU Dresden