Drillingseiche Markendorf in Frankfurt (Oder), Brandenburg

Drillingseiche Markendorf: Gesamtansicht des Baumes (vom Weg)
BaumartStiel-Eiche (Quercus robur)
Standort:im „Friedhofspark“ (kleine Parkanlage bzw. ehemaliger Kirchort mit Friedhof) im Ortsteil Markendorf der kreisfreien Stadt Frankfurt (Oder), an der B 87: Müllroser Chaussee/Ecke Wildbahn, kurz vor der südwestlichen Stadtgrenze; unmittelbar bei der Endstation „Markendorf Ort“ der Straßenbahn-Linie 4 von der Europa-Universität, Stadtmitte und vom Bahnhof kommend
Alter:ca. 600 Jahre (500-700 Jahre, hergeleitet aus Stammdimension und -strukturen sowie Standort und Historie)
Stammumfang:9,00 m in 1,0 m Stammhöhe (Taille, gemessen Aug. 2023)
Höhe:ca. 22 m
GPS-Daten: N 52.294105, O 14.470567
NEB seit:12. April 2024  (Bericht & Fotos)

Diese Eiche ist der stärkste und wohl auch der älteste Baum von Frankfurt (Oder), die Stadt ist mächtig stolz auf ihn. Zudem gehört die Eiche zu den 10 stärksten Bäumen Brandenburgs und zu den 15 stärksten Stiel-Eichen Deutschlands.

Der Name Drillingseiche für den Baum ist durch die Teilung des Hauptstammes in etwa 4 m Höhe in drei Stämmlinge begründet. Diese Stammteilung kam während des Aufwuchses durch Verlust des Wipfels zustande oder (hier zutreffend) erst später durch Beschädigung des Stammes, was zum Ersatz durch drei dominante Wipfeltriebe geführt hat. Dies muss schon sehr lange her sein, da die drei Stämmlinge inzwischen imposante Ausmaße haben: einer hat mittlerweile über einen Meter Durchmesser erreicht. Früher hieß der Baum meist einfach „Alte Eiche“, aber davon gibt es viele in Frankfurt (Oder), Brandenburg und Deutschland – Drillingseichen hingegen nur wenige, daher passt dieser neuere Name besser, auch weil er gleich die Besonderheit des Baumes beschreibt.

Der Hauptstamm hat auf der West- und Südostseite (zur Mauer hin) je einen Spalt, und an einem der Stämmlinge erkennt man einen ehemaligen Blitzschaden. Auch durch solch einen Blitzeinschlag vor sehr langer Zeit könnte die Dreizahl von Wipfeltrieben entstanden sein. Die Drillingseiche hat zudem eine sehr beeindruckende Borkestruktur, besonders etwa in Kopfhöhe unter der Stammgabelung auf der Nordseite des Stammes. Dort erkennt man turbulente gewaltige Borkerippen und dazwischen teilweise über 10 cm tiefgehende Borkespalten (Abb. 8) – diese Strukturen müssen mindestens 500 Jahre zur Entwicklung gebraucht haben.  

Man findet in einigen Stämmen der 8 Eichen noch Einschusslöcher und -spuren von Granaten – sie stammen von Kampfhandlungen am Ende des 2. Weltkrieges (vom 16. bis 19. April 1945). Dadurch sehen die Eichen mittlerweile besonders imposant und eindrucksvoll aus. Es führt ein Rundweg im Park an den 8 Eichen entlang, und die dickste dieser Eichen wird im April 2024 als Nationalerbe ausgerufen. Der unmittelbare Zutritt unter den ausgewählten Baum wird durch ein Geländer verhindert, da Äste herunterfallen können.

Jetzt wird es etwas kompliziert: Nach der Dorfgeschichte (rekonstruiert von Regionalhistorikerin Hannelore Skirde, mein großer Dank dafür) ist die Siedlung mit erster Kirche Mitte des 13. Jahrhunderts gegründet worden, die erste Erwähnung in einer alten polnischen Urkunde gibt es 1354 als Margrabiow und die erste deutsche urkundliche Erwähnung der Ortschaft ab etwa 1400, damals noch mit anderen mehrmals wechselnden Namen und schließlich seit 1538 als Markendorf. Die bereits zweite Kirche hier am Ort ist dann etwa 1405 erbaut worden: das passt perfekt zum hergeleiteten Alter der Drillingseiche mit 600 Jahren. Die 1540 erstmals erwähnte dritte Kirche wurde dann im Dreißigjährigen Krieg wiederum zerstört. Die Einweihung der vierten Kirche erfolgte 1721, das könnte ein Anhaltspunkt für die Pflanzung der weiteren 7 von den 8 Eichen sein, die deutlich jünger sind. Die ausgewählte Drillingseiche muss aufgrund ihrer Dimensionen also damals schon lange einzeln dort gestanden haben, sie war daher wohl bereits der zweiten Vorgängerkirche zugehörig und zuvor möglicherweise sogar Bestandteil eines mittelalterlichen Gerichts­ortes.

Die Winkelreihe von den 8 alten Eichen wurde als Begrenzung des Kirchhofes um den Friedhof der damals wohl bereits vierten Dorfkirche gepflanzt, unmittelbar südwestlich nahe 5 der 8 Eichen befindet sich noch heute die ehemalige Friedhofsmauer. Auch die letzte Kirche am Ort wurde am Ende des 2. Weltkrieges wieder schwer beschädigt (es stand nur noch der Turm) und dann vor 70 Jahren abgerissen. Ihr Fundament ist noch vorhanden (nämlich genau dort, wo heute in der Parkmitte Robinien wachsen!) und könnte somit auch weiterhin genutzt werden. Es hat dann seit 1955 nochmals ein provisorisches Notkirchlein gegeben – nunmehr die fünfte Kirche an der Eiche, die aber 1994 von einem herabfallenden Starkast der Drillingseiche beschädigt und danach auch wieder beseitigt wurde. Insgesamt also eine tragische Geschichte dieses Kirchenortes, aber: die Eiche (mit ihren „7 Geschwistern“) hat das alles problemlos seit etwa 600 Jahren überstanden und wird nun geadelt!

Für die deutlich verschiedenen Stammumfänge (von etwa 4,50 m bis 6 m) der 7 später gepflanzten Eichen können sich unterschiedliche Mikrostandorte über die Jahrhunderte als natürliche Ursache ausgewirkt haben: möglicherweise haben einzelne der Eichen Grundwasseranschluss gefunden, wodurch sich ihr Wachstum beschleunigt hat, andere sind im Krieg zu stark beschädigt worden.

Im ostdeutschen Baumarchiv von Andreas Gomolka heißt es (https://www.ostdeutsches-baumarchiv.de): „Kirche und fast das ganze Dorf wurden bei Kriegshandlungen in den letzten Tagen des zweiten Weltkrieges zerstört, die Kirchenruine später abgerissen. Als lebende Zeitzeugen und Mahnmale ragen die acht Eichen mit ihren zerzausten Gestalten auf dem Friedhof empor. Ihre beschädigten Stämme und Kronen lassen heute noch zahllose Wunden durch Einschüsse und Explosionen erkennen.“

 

Text und Bilder: Andreas Roloff, TU Dresden