Klosterlinde Hankensbüttel-Isenhagen (bei Gifhorn, Niedersachsen)
Baumart | Holländische Linde (Tilia x europaea) |
Standort: | Isenhagen ist ein Ortsteil von Hankensbüttel, einer Samtgemeinde im Landkreis Gifhorn in Niedersachsen, am südlichen Rand der Lüneburger Heide. Der Baum steht im Klostergelände, mit freiem Zugang – am besten zu erreichen vom Parkplatz an der Abzweigung Klosterstraße/Sudendorfallee, dann etwa 200 m die Klosterstraße westlich hineingehen, und nördlich vor dem Klosterhauptgebäude mit Kirche steht der Baum, er ist nicht zu übersehen |
Alter: | ca. 400-500 Jahre (hergeleitet aus Umwidmungsjahr Kloster zu Damenstift: 485 Jahre) |
Stammumfang: | 7,15 m in 0,9 m Stammhöhe (Taille, gemessen Feb. 2023) |
Höhe: | ca. 17 m |
GPS-Daten: | N 52.725866, O 10.619703 |
NEB seit: | 29. September 2023 (Bericht & Fotos) |
Bei intensiver Begutachtung ergab sich, dass es sich definitiv um eine Holländische Linde handelt, die Kreuzung zwischen Sommer- und Winter-Linde mit durchgehend allen Übergangsmerkmalen zwischen beiden Elternarten. Da dieser Hybrid relativ häufig und sogar die seit vielen Jahren am meisten gepflanzte Straßenbaum-Linde ist (vor allem die Sorte ‚Pallida‘, auch Kaiser-Linde genannt) – wegen all ihrer günstigen Eigenschaften dafür und gegenüber dem Klimawandel –, ist es gerade interessant, sie mit zu berücksichtigen. Im aktuellen Botanikführer des Klostergartens (Calluna-Medien 2010) wird sie vom Gartenbau-Experten Dr. Richard Fronia richtig als die Kreuzung Holländische Linde benannt, und es werden ausführlich und korrekt die Erkennungsmerkmale beschrieben. Somit passte dann alles und es wurden die weiteren Schritte bis zur Ausrufung im September besprochen sowie die Vereinbarung an die lokalen Gegebenheiten und die Klosterwünsche angepasst.
Hier die wichtigsten Erkennungsmerkmale der Holländischen Linde (Tilia x europaea):
Blätter unterseits | in den Nervenwinkeln gelbliche bis weißliche Achselbärte; Nerven behaart und deutlich hervortretend |
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Blüten/Früchte je Blütenstand | 3 bis 7 |
reife Früchte | bis 8 mm dick, nur undeutlich gerippt, kaum zerdrückbar |
Jahrestriebe & Blattstiele | behaart |
Blütezeit | Ende Juni/Anfang Juli |
Ansprüche | gering |
Toleranzen | sehr trockenheitstolerant, erträgt moderate Bodenversiegelung/-verdichtung und ist schnittverträglich |
Da die Holländische Linde schneller wächst als beide Eltern, ist ausgeschlossen dass dieser Baum 1000 Jahre alt sein kann, wie verschiedentlich genannt. Dafür reicht auch ihr Stammdurchmesser bei weitem nicht aus. Ihr Alter dürfte vielmehr 400-500 Jahre betragen, womit sie eine der 5 ältesten bekannten Holländischen Linden ist. Und dazu passend findet man in der ereignisreichen Klostergeschichte ein schönes Ereignis (Tabelle aus der Kloster-Website www.kloster-isenhagen.de):
1243 | Stiftung als Mönchskloster des Zisterzienserordens in Alt-Isenhagen |
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1259 | nach Brand Übersiedlung nach Marienrode |
1262 | Klosterneubau, Nonnen ziehen ein |
1327 | Klosterneubau in Hankensbüttel |
1336 | Brand zerstört das Kloster |
1345 | Baubeginn des neuen, noch jetzt bestehenden Klosters |
1349 | Ausbruch der Pest in Europa, Einstellung der Gewölbebauarbeiten |
1518 | Wölbung des Ostkreuzganges durch Probst Burdian |
1527 | Herzog Ernst der Bekenner führt die Reformation ein |
1540 | Das Zisterzienser-Nonnenkloster wird ein evangelisches Damenstift |
Dieses Ereignis: die Umwandlung des Zisterzienser-Nonnenklosters in ein evangelisches Damenstift im Jahr 1540 – könnte und müsste doch eine Baumpflanzung wert gewesen sein. Der Baubeginn 1345 ist eindeutig zu früh bei diesem Linden-Hybrid. Danach gab es längere Zeit nur Ereignisse wie die Pest, wo man keine Ehrenbäume pflanzte. Somit könnte die Linde 485 Jahre alt sein: nämlich im Jahr 1540 mit 2 Jahren Alter gepflanzt worden sein. Dabei ist berücksichtigt, dass sie die letzten Jahrzehnte eine deutlich reduzierte Krone aufweist und deshalb nur noch einen reduzierten Zuwachs zustande bringt.
Sehr schön und einladend ist die Rundbank um die Linde gestaltet, sie soll zeitnah erneuert werden (ist jetzt in einem etwas verwitterten Zustand), damit sie besser genutzt werden kann.
Die Klosterlinde ist seit 1993 Naturdenkmal und wird verbreitet auch als „Tausendjährige Linde“ bezeichnet. Der schon erwähnte phantastische 48-seitige Klostergarten-Führer vermittelt umfassend und sehr anschaulich, wie viele Jahrhunderte zurück schon die Geschichte von Klostergärten allgemein und speziell des Klostergartens Isenhagen reicht. Zudem ist die Konzeption der Gärten in dieser Klosteranlage hochinteressant dargestellt einschließlich immer wieder durchgeführter Veränderungen. Einen Eindruck, welch hochwertiges Gemüse und Früchte heute aus dem Klostergarten geerntet werden, durfte ich beim inspirierenden Mittagessen mit der Äbtissin erleben.
Zur Geschichte des Klosters (von der Kloster-Website www.kloster-isenhagen.de)
Das ehemalige Zisterzienserkloster Isenhagen ist eines von sechs »Heideklöstern«, die heute evangelische Damenstifte sind. Das 1243 von Herzogin Agnes, einer Schwiegertochter Heinrichs des Löwen, gestiftete Kloster ist im ersten Jahrhundert seines Bestehens zweimal verlegt worden. Um 1345 erbaute man es dann am heutigen Standort. Kirche und Kreuzgang blieben ohne Gewölbe, was mit dem Ausbruch der Pest während der Bauzeit erklärt wird.
Nach der Einführung der Reformation durch den Celler Herzog Ernst den Bekenner wurde das Kloster 1540 in ein evangelisches Damenstift umgewandelt. Das ist es noch heute als selbstständige Körperschaft des öffentlichen Rechts. Die staatliche Aufsicht übt der Präsident/die Präsidentin der Klosterkammer Hannover als Niedersächsischer Landeskommissar aus.
Der Klostergarten – schon immer ein kulturelles Kleinod – hat 2003/2004 eine erfreuliche Aufwertung erfahren. Unter dem Dach der Klosterkammer haben Fördermittel verschiedener Institutionen eine Bestandsaufnahme der historischen Gartenstruktur und deren Ergänzung und Wiederherstellung ermöglicht. Interessierten Besuchern werden zweimal im Jahr Gartentage angeboten, im Frühsommer und im Spätsommer, an denen sie den Garten besichtigen können.
Das Ziel der Gartendenkmalpflege war rechtzeitig zur Baumblüte des Jahres 2004 erreicht: Der 2,5 Morgen große Klostergarten erscheint gemäß seiner ursprünglichen Konzeption aus dem Jahr 1750 als Obst- und Gemüsegarten barocker Struktur. Sein besonderes Gesicht entfaltet er im Sommer.
Im oben erwähnten Gartenführer ist unerklärlich, warum im darin abgedruckten Gartenplan von 1742 alle Bäume eingezeichnet sind, aber die Linde fehlt. Möglicherweise wurden nur die Obstbäume dargestellt? Sonst wäre es merkwürdig, denn sie muss damals schon ein stattlicher Baum gewesen sein – das zeigt auch diese Postkarte von 1920:
Klosterlinde um 1920 (Postkarte) – die Stammdimension von damals erscheint sogar größer als heute
Wir freuen uns, wenn uns Repros von alten Abbildungen der Klosterlinde aus dem 18. und 19. Jahrhundert zugesandt werden, um die Entwicklung der Klosterlinde noch besser zu dokumentieren und nachvollziehen zu können.
Text und Bilder: Andreas Roloff, TU Dresden