Platane am Spielhaus im Exotischen Garten der Hohenheimer Gärten (Stuttgart-Hohenheim, Baden-Württemberg)

Platane Hohenheim: sehr platanentypische Stammgabelung in etwa 4 m Höhe, die den Charakter des Baumes prägt und hier auf seinen möglichen Ursprung seiner Zwieselpflanzung hindeuten kann
BaumartAhornblättrige Platane (Platanus x hispanica)
Standort:Stuttgart (kreisfreie Stadt), Stadtteil Hohenheim (ca. 10 km südlich vom Stadtzentrum), Stadtbezirk Plieningen; Hohenheimer Gärten der Universität Hohenheim: Exotischer Garten an der Garbenstraße (dort Parkplatz sowie U3 Endstation S-Plieningen 300m entfernt), am Spielhaus, Quartier E, Baum 70; Bundesland: Baden-Württemberg
Alter:gepflanzt 1779, Alter daher ca. 245 Jahre
Stammumfang:7,70 m in 1,3 m Stammhöhe (gemessen Dez. 2022)
Höhe:ca. 34 m
GPS-Daten: N 48.710189, O 9.207430
NEB ab:06. Mai 2023

Platanen in Mitteleuropa gibt es erst seit etwa 360 Jahren, und der Hybrid ist nicht natürlich entstanden, denn beide Elternteile kommen aus verschiedenen Kontinenten: aus dem östlichen Mittelmeerraum & Vorderasien die Morgenländische oder Orient-Platane (Platanus orientalis) und aus Kanada & USA die Abendländische oder Nordamerika-Platane (Platanus occidentalis). Niemand weiß genauer, wo und wie der Hybrid entstand – vermutlich in England in einem Botanischen Garten (jedenfalls kommt er nicht aus Spanien) ­– und es ist ungeklärt, ob die Kreuzung absichtlich durch Gärtner erzeugt wurde oder ob sie durch unabsichtlichen Pollentransport zwischen beiden Elternarten durch Wind zustande kam.

In Londons Straßenschluchten wurde dieser Baum aufgrund seiner Immissions-, Staub- und Trockenheits-Toleranz sowie Schnittverträglichkeit schnell ein Renner, und Anfang des 20. Jahrhunderts waren dort bereits bis zu 90% der alten Straßenbäume Platanen. Von England aus erreichten die Bäume bald ganz Mitteleuropa, und viel seltener kommen die beiden Elternarten in Deutschland in botanischen Sammlungen vor.

In Südwestdeutschland ist auch die Elternart Mittelmeer-Platane winterhart genug (bis -15°C). Mit ihr ist eine sehr bewegende, Jahrtausende alte mediterrane kulturelle und Kult-Geschichte verbunden: sie hatte und hat bis heute im Mittelmeerraum große Bedeutung an mystischen und Versammlungsorten – die Versammlungen fanden dort im Platanen-Schatten statt. So wurden bereits vor über 2.000 Jahren große Reden berühmter griechischer und römischer Philosophen oft und gerne unter Platanen gehalten. Dieser Kult hat sich mit dem Hybrid sogar nach Mitteleuropa übertragen, so stehen sie heute auch in Deutschland oft an besonders starken Orten, wie z.B. dieser Baum im Exotischen Garten am Spielhaus. Große Reden wurden dort wohl noch nicht gehalten (denn als das geschah, war er erst ein kleines Bäumchen), aber das soll sich jetzt ändern…

Die Hybrid-Platane vereint die Frosthärte der Amerikanischen und die Trockenstresstoleranz der Mittelmeer-Platane und ist daher seit über 2 Jahrhunderten eine der am häufigsten gepflanzten Straßenbaumarten in mitteleuropäischen Städten. Die älteste Hybrid-Platane Deutschlands wächst in einem nordsächsischen Privatgarten in Oelzschau bei Riesa, sie soll 355 Jahre alt sein und hat einen Stammumfang von über 9 m. Eine besonders schöne alte und dichte Allee gibt es in Grohnde bei Hameln an der Weser, eine weitere vierreihige in Dessau ist sogar als Naturdenkmal geschützt. Allerdings treten auch einige ernste Krankheiten auf, die der Platane zu schaffen machen, wie die Blattbräune und ein oberseitiges Absterben starker Äste in den Kronen (die pilzbedingte Massaria-Krankheit). Besonders alte und große Exemplare der Hybrid-Platane sind auch immer Wohnorte für eine Vielzahl von Käfern, anderen Insekten und Pilzen.

Ein sehr attraktives Highlight der Platanen ist ihre Borke. Sie besteht aus unterschiedlich großen und farbigen Schuppen, die einen ständigen Farbwechsel des Stammes zur Folge haben. Das ist auch bei diesem ausgewählten Baum sehr ausgeprägt. Die ältesten Schuppen sind schließlich durch Verwitterung dunkelbraun, und wenn sie altersbedingt – ohne Schaden für den Baum, da die Borke außen tot ist – irgendwann abfallen, kommen darunter ganz helle (oft fast weiße) Rindenbereiche zum Vorschein, was zu einem interessanten bis spannenden Farb- und Strukturpuzzle auf dem dicken Stamm führt. Wenn man sich etwas Zeit und Muße gönnt, kann man die jüngere Lebensgeschichte der Borke daran ablesen. Die abgefallenen Borkeschuppen liegen meist noch am Stammfuß um den Baum, man wird sofort welche finden und kann nach ihrer Form und Größe versuchen, den Herkunftsort auf der Rinde am Stamm zuzuordnen, denn dort muss eine ebenso geformte helle Fläche zu sehen sein (Bild 3). Sie merken schon: ich gerate ins Schwärmen (und höre damit jetzt mal auf).

Nur noch dies dazu: im Abstand von etwa 5 Jahren kann es bei besonders günstigen (warmen und feuchten) Wuchsbedingungen durch den stärkeren Dickenzuwachs der Platanen zu einer regelrechten Borkeschütte kommen: die Umgebung des Stammfußes ist dann übersät mit Borkeschuppen und gleichzeitig werden dadurch große Bereiche der Stämme ganz hell, fast weiß. Laien befürchten dadurch bisweilen eine Krankheit oder sogar ein Absterben des Baumes, was aber nicht zutrifft, sondern das ist die Folge der zuvor erläuterten Borkebiologie dieser Bäume.

Auch eindrucksvolle Wurzelanläufe werden an vielen Platanen entwickelt, und nicht selten im Straßenbereich treten sog. „Elefantenfüße“ auf (Bild 9): beim Umwachsen von größeren Steinen, Felsen oder Bordsteinkanten entstehen Stammfüße mit diesem Aussehen, die zur „Körpersprache“ der Bäume gehören und eine Reaktion auf Probleme sind, aber auch eine Anpassungsreaktion darstellen.

Die Blätter der Ahornblättrigen Platane sehen dem Spitz- und Berg-Ahorn tatsächlich sehr ähnlich, sie stehen aber spiralig am Trieb (beim Ahorn sind sie gegenständig). Darum heißen Spitz- und Berg-Ahorn wissenschaftlich umgekehrt auch Acer platanoides und A. pseudoplatanus! Das ist also eine schöne gegenseitige Bezugnahme zwischen Platanen und Ahornen.

Die Früchte fallen erst im Winter auf, wenn die Blätter abgefallen und die Zweige kahl sind: dann hängen attraktiv an 10-20 cm langen Stielen die dicken kugeligen Fruchtstände an den Zweigen und schwingen im Wind.

Diese Parkanlage im englischen Stil mit Baumexoten ist seit 1953 Landesarboretum Baden-Württemberg und seit 2011 als Exotischer Garten Teil der Hohenheimer Gärten. Er wurde von 1776 bis 1793 nach Plänen des damaligen Herzogs Carl Eugen von Württemberg für seine spätere Gattin Franziska angelegt. Aus Anlass seiner Zuneigung zu dieser Frau wurde diese „Franziska-Platane“ im Jahr 1779 gepflanzt (und bisweilen auch Liebesplatane genannt), entweder als Zwieselbaum mit 2 Wipfeltrieben oder möglicherweise sogar zwei Bäume so eng beieinander, dass sich deren beiden Stämmchen danach durch ihr Dickenwachstum vereinigt haben, allerdings oben inzwischen immer weiter auseinanderwachsen. Tja, so ist das eben mit Bäumen und der Liebe… Nach dem Tod des Herzogs wurde der Park öffentlich zugänglich und zählte schon damals zu den artenreichsten Gehölzsammlungen Deutschlands. Einige alte Bäume stammen noch aus seinen frühesten Begründungsjahren, wie also auch diese Platane.

Das Spielhaus neben der Platane diente dem Herzogspaar als Stätte für festliche und gesellige Veranstaltungen, mit einem Kinderspielplatz vor der Tür war es Treffpunkt zum Kartenspiel und geselligen Zusammensein. Direkt neben der Platane befindet sich heute im Gebäude das Museum zur Geschichte Hohenheims, es wird vom Archiv der Universität verwaltet. Gleich rechts neben dem Eingang ist darin ein großes Modell mit maßstabgetreuer Nachbildung der englischen Gartenanlage mit ihren Bäumen, Gewässern und Gebäuden zu sehen. Um das Modell herum wird in Vitrinen die Entwicklung der Gartenkunst in Europa dargestellt im Zusammenhang mit der Geschichte der Hohenheimer Gärten und ihrem Exotischen Garten, Botanischen Garten, Schlossgarten und Landschaftsgarten.

In der Umgebung dieser Platane stehen noch etliche weitere alte exotische Bäume mit besonders beeindruckenden Rinden-und Stammstrukturen: das müssen Sie selbst erleben! Wir sind stolz, dass wir mit „unserem“ Nationalerbe-Baum jetzt hier auch dazugehören und freuen uns auf die Feier im Mai.

Text und Bilder: Andreas Roloff