Schmorsdorfer Linde (Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, Sachsen)
Baumart | Sommer-Linde (Tilia platyphyllos) |
Standort: | mitten im Ortsteil Schmorsdorf der Gemeinde Müglitztal, nicht zu verfehlen im Zentrum des 17 Häuser-Dorfes; von überall ausgeschildert etwa 50 m südlich der Hauptstraße; etwa 10 km südöstlich von Dresden; Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, Sachsen |
Alter: | ca. 800 Jahre (700-850 Jahre, hergeleitet aus Stammdimension, -strukturen sowie Baumhabitus, Standort und Historie) |
Stammumfang: | 11,20 m in 1,3 m Stammhöhe (Taille, gemessen Mai 2024) |
Höhe: | ca. 24 m |
GPS-Daten: | N 50.931195, O 13.820479 |
NEB seit: | 27. September 2024 (Bericht & Fotos) |
Für den mächtigen Stamm sollte man sich unbedingt etwas Zeit nehmen, um seine Wirkung richtig zu spüren. Beim Anblicken der Stammstrukturen kann man sich gut vorstellen, wie lange dieser Baum bereits dort steht und was er alles schon erlebt hat, sowohl was das Klima, die Umwelt und Umgebung betrifft als auch die menschliche und sächsische Geschichte… So war diese Region vor langer Zeit von Sorbenwenden besiedelt und damals soll auch der Dorfname entstanden sein.
Seit dem 19. Jahrhundert ist die Schmorsdorfer Linde vielfach illustriert und fotografiert worden und so ihre Entwicklung und ihr Aussehen seitdem sehr gut dokumentiert. Hat oder kennt aber vielleicht noch jemand eine Abbildung vom frühen 19. oder sogar aus dem 18. Jahrhundert? Dann gibt’s eine Buch-Belohnung! Die Schmorsdorfer Linde war und ist seit Jahrhunderten ein beliebter Treffpunkt im Dorf und überregional auch von Künstlern (und von Verliebten, wie ich aus sicherer Quelle weiß). Heute werden oft Hochzeitsfotos vor der Linde gemacht und gestorbene Bürger des Dorfes trägt man auf ihrem letzten Weg an der Linde vorbei, ein sehr bemerkenswertes Ritual.
Die erste schriftliche Erwähnung der Linde fand sich um 1630 im Dreißigjährigen Krieg, als Truppen an dem schon damals riesigen Baum vorbeizogen und dabei unter ihr Rast machten oder strategische Beratungen in ihrem Schatten abhielten. Mehrmals wurde die Linde erheblich durch Feuer, Sturm und Holznutzung geschädigt, und vor 130 Jahren war sie nach einem Bild von damals viel größer als heute (nämlich 44 m hoch) und die Krone relativ schlank. Man führt jetzt ab und zu sehr behutsame Einkürzungen durch, um sie nicht wieder zu hoch wachsen zu lassen. Denn sonst wäre sie Stürmen zu sehr ausgesetzt und es könnten Äste abbrechen oder Stammteile herausbrechen. Zur Vorbeugung sind auch Kronensicherungen eingebaut, welche die Stämmlinge miteinander verbinden, so dass sie sich gegenseitig halten.
Schon im Jahr 1892 wird beschrieben, dass in der vollkommen hohlen Linde mit Eingang 12 – 15 Personen Platz fanden und nach Überlieferungen noch früher sogar Gerichtsversammlungen darin stattgefunden haben sollen. Seit langer Zeit haben sich im hohlen Stamminneren am Stammmantel Innenwurzen entwickelt und sind inzwischen zu Stammstärke erstarkt, so dass der Hohlraum wieder kleiner wird – absolut typisch für Linden in diesem hohen Alter.
Die „Körpersprache“ dieser Sommer-Linde ist sehr spannend: was sie uns alles erzählen kann (wenn man sie versteht) über ihre Lebensgeschichte und zurückliegende Ereignisse. Das werde ich bei der Ausrufung ausgiebig erläutern, eine kleine Lehrstunde der Baumbiologie – da freu ich mich schon drauf! Der Stamm hat 2 Öffnungen.
Direkt neben dem Baum gibt es seit 2006 ein sehr liebevoll eingerichtetes und fachkundig gestaltetes Miniatur-Lindenmuseum, das einzige in Deutschland was sich mit den Linden befasst. Dort findet man viel Interessantes gut aufgearbeitet, sowohl zur Linde als auch zur Dorfgeschichte – ein Besuch ist sehr lohnenswert. Das Museum ist nach der Musikerin Clara Schumann benannt, die Mitte des 19. Jahrhunderts öfters von Maxen aus zur Linde wanderte, auch nachts und darüber sowie über die Erlebnisse dort in ihrem Tagebuch schreibt. Das Museum ist 24 Stunden täglich geöffnet, worüber man ins Staunen gerät.
Im kuppenreichen Umland der Linde hat man immer wieder von Anhöhen wunderbare Ausblicke ins Müglitztal, nach Dresden und zum Erzgebirge – eine traumhafte Landschaft!
Text und Bilder: Andreas Roloff, TU Dresden