Tanzlinde Effeltrich (Landkreis Forchheim, Oberfranken)
Baumart | Sommer-Linde (Tilia platyphyllos) |
Standort: | mitten im Dorf Effeltrich der gleichnamigen Verwaltungsgemeinschaft, an der Kreuzung von Hauptstraße und Neunkirchener Straße/Lindenstraße, nahe der großen Wehrkirche; Landkreis Forchheim, Regierungsbezirk Oberfranken, Bayern |
Alter: | ca. 700 Jahre (600-800 Jahre, hergeleitet aus Stammdimension, -strukturen sowie Baumhabitus, Behandlung, Standort und Historie) |
Stammumfang: | 8,02 m in 0,7 m Stammhöhe (Taille, gemessen Mai 2024) |
Höhe: | ca. 8 m |
GPS-Daten: | N 49.659544, O 11.092795 |
NEB seit: | 10. August 2024 (Bericht & Fotos) |
Mit dieser besonderen Linde ist nun auch eine bisher noch sehr große freie Fläche auf der Deutschlandkarte rund um Nürnberg mit einem Nationalerbe-Baum abgedeckt. Sie befindet sich in der Tourismusregion Fränkische Schweiz, die wegen ihrer Berg- und Hügellandschaft und der vielen Burgen, Felsformationen und Höhlen berühmt und als Urlaubsziel sehr beliebt ist.
Die dort ausgewählte Tanzlinde erhält seit Jahrhunderten eine enorme Wertschätzung wegen ihrer kulturellen Bedeutung und ihrer sehr intakten geleiteten Krone. Geleitet nennt man dies deshalb, weil die Hauptäste seit langer Zeit auf einer Stützkonstruktion waagerecht weit nach außen geleitet werden. Entstanden ist dies durch den hohen Bastbedarf umliegender Gartenbaubetriebe, die den Baum regelmäßig geschnitten haben zur jährlichen Zweiggewinnung. Denn Linden haben einen besonders reißfesten Bast in der Rinde und eignen sich daher vorzüglich zu seiner Nutzung. Er wird verwendet zur Veredlung von Obstbäumen und Formgehölzen für Baumschulen: dabei wird ein Pfropfreis mit einer Unterlage verbunden und mit Lindenbast umwickelt, damit beide Baumteile miteinander verwachsen und die Krone dann mit Sicherheit ganz bestimmte Merkmale wie Fruchtqualität/-sorten oder z.B. eine als Straßenbaum gewünschte schlanke Kronenform aufweisen.
Es gibt auch die Sage, die Linde sei mit ihrer Krone umgekehrt in die Erde gepflanzt worden, was bei Linden aber baumbiologisch undenkbar ist (das kann nur bei Weiden klappen).
Der auffallend flache, niedrige Habitus dieser Linde wird durch zweijährigen behutsamen Rückschnitt aller immer wieder nach oben treibenden Zweige erhalten. So ist die Maßnahme mit relativ wenig Aufwand verbunden und führt zu keiner nennenswerten Schädigung des Baumes. Immerhin ist er so schon 700 Jahre alt geworden. Das hohe Alter leitet sich her aus den am Wuchsort mitten im Siedlungsbereich ziemlich problematischen Bodenverhältnissen (Bodenverdichtung und -versiegelung, wenig Wurzelraum, Trockenheit etc.), den regelmäßigen Schnittmaßnahmen (Verlust von Zweigen und Blattfläche) und starkem Besucherverkehr im Wurzelraum (Versammlungen, Feste, Märkte, Tanzveranstaltungen…). Linden sind bekannt dafür, dass sie all dies erstaunlich gut verkraften, sonst gäbe es im Stadtbereich nicht so viele Altbäume.
Der Stamm dieses Baumes besteht noch zu größeren Anteilen aus dem Ursprungsstamm, es handelt sich bei ihm nicht wie oft bei „tausendjährigen“ Linden komplett um Wiederaustriebe. Bei diesen würde das Alter ihrer Wiederaustriebe gezählt werden, nicht das des Vorgängerbaumes, von dem die Wurzeln für die Nachkömmlinge weitergenutzt werden konnten.
Starke Wurzeln dieser Linde wurden schon in 40 m entfernten Hauskellern gefunden, auch die Gärten in der Nähe hat sie sicher alle „gecheckt“ und in ihre Versorgung eingebaut. Zudem soll sich unter ihr auch eine kräftige Wasserader befinden.
Die aufwändige Stützkonstruktion aus Eichenholz für die schweren, weit ausladenden Äste muss regelmäßig kontrolliert und einfühlsam ausgebessert werden, das ist hier sehr verantwortungsvoll und fachmännisch seit langer Zeit erfolgt. Sehr gut gelöst ist die Abgrenzung des Kronenraumes mit einer niedrigen Mauer als Umrandung im Achteck, mit Hinweisschildern gegen das Beklettern des Baumes, aber ansonsten freiem Zutritt durch mehrere Mauerlücken.
Sehr intensiv hat sich der ehemalige Pfarrer und heute Geistlicher Rat Albert Löhr für die Linde eingesetzt, zudem hat er eine längere Abhandlung über den Baum erarbeitet. Die Linde war früher Rats- und Gerichtsort, Dorftreffpunkt und Festplatz. Höhepunkt ihrer aktuellen kulturellen Nutzung sind gelegentliche Versammlungen oder Feiern (z.B. abends mit Beleuchtung unter der Krone), musikalische Veranstaltungen, als Station der Fronleichnamsprozession im Juni (Mai) oder für Treffen von Vereinen.
Die Tanzlinde Effeltrich ist schon seit langem sehr verantwortungsvoll und fachlich versiert von der Gemeinde Effeltrich und vom Landratsamt Forchheim als zuständige Untere Naturschutzbehörde gepflegt und gesichert worden, das verdient unsere Hochachtung. Wir möchten bei dieser außergewöhnlichen Linde mit unserer Auszeichnung und Förderung ein Altern in Würde mit unterstützen und ihre Beachtung und ihren Schutz weiter verstärken.
Text und Bilder: Andreas Roloff, TU Dresden