Tumuluslinde Evessen (Landkreis Wolfenbüttel)
Baumart | Sommer-Linde (Tilia platyphyllos) |
Standort: | An der L 625 (im Ort: Schöppenstedter Straße) zwischen Braunschweig und Schöppenstedt am südwestlichen Rand des Höhenzuges Elms, etwa 250 m hinter dem Ortseingang von Evessen (Landkreis Wolfenbüttel, Niedersachsen). |
Alter: | 600-800 Jahre, nach eigener Einschätzung 800 Jahre wahrscheinlich |
Stammumfang: | 7,10 m in 1,3 m Stammhöhe (gemessen August 2022) |
Höhe: | ca. 14 m |
GPS-Daten: | N 52.188592, O 10.705367 |
NEB seit: | 15. Oktober 2022 (Bericht & Fotos) |
Im Volksmund wird der Hügel hier auch schlicht „dat Hoch“ genannt. Die Entstehung erklärte man sich früher mit folgender Legende: Vom Elmgebirge ist ein Riese gekommen, mit großen Lehmklumpen an den Stiefeln. Diese hat er in Evessen mit einem Lindenheister abgestreift und den Heister in den Klumpen gesteckt, wo er zum Lindenbaum wurde. Da in der Nachbarschaft bis in das 18. Jahrhundert zwei weitere, ähnlich große Grabhügel vorhanden waren, muss der Riese also wohl mehrere Lehmklumpen abgestreift haben!
Wie und wann auch immer sie gepflanzt worden ist, die eindrucksvolle und von der Kronenform her sehr gleichmäßig geformte Linde prägt den Hügel. Laut Literatur werden bereits im Jahr 1347 Gerichtsverhandlungen hier in Evessen genannt, und diese Vogteigerichte wurden erst 1808 aufgehoben. Spätestens seit Anfang des 19. Jahrhunderts wurde auch der Baum in diesem Zusammenhang erwähnt. Daher muss er vor 200 Jahren schon sehr stattlich gewesen sein, was gegen die in manchen Quellen genannten 400 Jahre Baumalter spricht. Wir schätzen den Baum angesichts des exponierten Standorts auf dem Hügel und mit diesem Stammumfang auf deutlich mehr als 600 Jahre ein, aufgrund der ungünstigen Wasserversorgungs-Situation auf dem Tumulus könnten es wohl 800 Jahre sein.
Die Linde ist schon lange Naturdenkmal: seit 1944. Es sind in früheren Zeiten zahlreiche „baumchirurgische“ und in jüngerer Zeit baumpflegerische Maßnahmen ergriffen worden, um den Baum zu erhalten. Dazu zählen Kronensicherungen und -einkürzungen, Zumauern bzw. Beton-Plombierungen mancher Höhlungsbereiche und das Verschließen größerer Öffnungen mit Draht, um zu verhindern, dass z.B. spielende Kinder ins Innere der Linde gelangen. (Das Bedürfnis, in einem hohlen Baum Feuer zu entfachen, ist vor allem in der Kindheit, und offensichtlich leider auch bei manchen Erwachsenen gegeben.)
In die untere Stammborke sind in früheren Zeiten etliche Nägel eingeschlagen worden, was ein volkstümlicher Brauch gegen Zahnschmerzen gewesen sein soll: Beim Einschlagen des Nagels hatte man einen Spruch aufzusagen, der bewirkte, dass der Schmerz aus dem Körper fuhr und mittels Nagel in den Baum geleitet wurde. Es wird erzählt, dass sich deswegen nie ein Zahnarzt in Evessen niedergelassen hat… Die Nägel hat der Baum dank seiner guten Vitalität bisher gut vertragen.
Text zuvor aus dem Buch „Die starken Bäume Deutschlands“, Verlag Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2020: darin diese Baumbeschreibung von Rolf Kehr (S. 130/131) – etwas aktualisiert und ergänzt
Ausführlicheres zur Baum- und Tumulus-Historie findet sich auf der Tafel am Baum (Abb. 6).
Die Linde wird häufig – auch in seriösen Botanik-Quellen – als Winter-Linde bezeichnet, dies trifft aber definitiv nicht zu. Denn sie hat behaarte junge Triebe und Blattstiele und Fruchtstände mit nur 3-5 Früchten, die sich reif nicht zerdrücken lassen.
Sie überragt große Teile des Dorfareals an der Landesstraße durch ihre Position auf dem Hügel. Man fragt sich beim Anblick der sattgrünen Blätter des Baumes und seiner guten Vitalität auch nach den extrem trockenen Sommern 2018, 2019 und 2022, woher der Baum sein Wasser bezieht. Dafür kann die allgemein bekannte maximale Wurzeltiefe dieser Baumart von 2 Metern nicht ausreichen. Das Gras rundherum auf dem Hügel ist erwartungsgemäß vollkommen vertrocknet (Bilder), und viele Bäume in der Umgebung zeigen deutliche Trockenschäden.
Der Baum prägt auch das sehr schöne Ortswappen von Evessen.