Waldeibe in Schortens (Stadt im Landkreis Friesland), Niedersachsen

Waldeibe Schortens: mit mächtiger eibentypisch dunkler Krone
BaumartEuropäische Eibe (Taxus baccata)
Standort:im Klosterpark Schortens (Landkreis Friesland, Niedersachsen), OT Oestringfelde, Am Ginsterweg 10, beim Regionalen Umweltzentrum (RUZ): von dort geradeaus auf Fußweg weitergehen, nach 100 m rechts halten
Alter:ca. 450 Jahre (400-500 Jahre, hergeleitet aus Baumgestalt, Standort und Historie)
Stammumfang:3,85 m in 1,3 m Stammhöhe (gemessen Okt. 2023)
Höhe:ca. 25 m
GPS-Daten: N 53.535995, O 7.923057
NEB ab:April 2024 (die Ausrufung ist am 14. Juni 2024 nachmittags geplant)

Dieser Baum ist hervorragend inszeniert, auch mit der dezenten, aber deutlichen Umzäunung: dahinter ist der „heilige Raum des heiligen Baumes“, der nicht betreten werden soll. Er wird noch etwas optimiert (nicht mehr quadratisch, sondern runder mit Staketenzaun). Und dann nehmen Sie sich bitte richtig Zeit, diesen unfassbar schönen Stamm anzusehen – das bekommen Sie in solcher Schönheit, Intaktheit und Vollkommenheit in Deutschland nicht oft zu sehen! Diese Eibe erinnert mich daher so intensiv an die englischen Uralteiben, von denen etliche auch so ein schönes Outfit haben (allerdings mit oft 2-3mal so dicken Stämmen). Diese Eibe hat fast die 4 m Stammumfang erreicht, in England gibt es etliche mit bis zu 13 m Stammumfang! Das kann und wird diese Eibe auch schaffen, wenn wir ihr noch 800 Jahre Zeit lassen – versprochen.

Das haben wir hier nun alle gemeinsam mit der Auswahl und Kür zum Nationalerbe-Baum in die Wege geleitet: Stadt, Naturschutz-Verantwortliche, Baumpfleger, Umweltbildungsexperten zusammen mit der Deutschen Dendrologischen Gesellschaft. Der Baum steht in einem Landschaftsschutzgebiet, das ist ein für die Naherholung wichtiges Gebiet mit übergeordnetem Schutz für die dort stehenden wertvollen Bäume – wie z.B. hier die Eiben.

Als ich den Baum „zufällig“ auf meiner Baumsuch-Tour im äußersten Nordwesten der Republik (Ostfriesland und Friesland) gefunden hatte, konnte ich kaum fassen, dass in diesem „relativ baumfreien“ Teil Deutschlands solch ein Prachtexemplar von Eibe steht. Es gibt dort insgesamt deutlich weniger alte Bäume als anderswo wegen der vielen und starken Stürme sowie durch das meist hoch anstehende Grundwasser, welches eine tiefe Verwurzelung und damit die Standsicherheit der Bäume erschwert. Dauerhaft im Wasser können nur ganz wenige Bäume problemlos wachsen, wie z.B. Weiden, Erlen und Sumpfzypressen. Eiben haben damit große Probleme, aber dafür den Vorteil, dass sie langsam wachsen und daher länger klein bleiben. Insofern ist die sehr besondere Höhe dieser Eibe von etwa 25 m außergewöhnlich, aber der Baum steht windgeschützt umgeben von vielen anderen alten Bäumen im Bestand und hat mit deren Beschattung zudem kein Problem. Denn Eiben halten selbst in hohem Alter starken Schatten aus, darin sind sie Rekordhalter.

Und noch etwas ist hier sehr besonders und mir gleich beim ersten Besuch dieses Baumes aufgefallen: die „Lichtspiele“ der Sonne morgens und abends auf dem Stamm der Eibe. Das ist am besten ausgeprägt im Winter (weil die anderen Bäume des Bestandes dann kahl sind) und bei tiefstehender Sonne (weil die dann unter den Nachbarbäumen hindurch auf den Eibenstamm trifft). Und von jeder Stammseite und jedes Mal, wenn man kommt, ist es ein anderes Schauspiel – einfach phantastisch! Die Bilder unten sollen es zeigen…

Im Umfeld gibt es zudem etliche esoterische Installationen (durch das Umweltzentrum und weitere naturbegeisterte Menschen), dies verstärkt die Wirkung von Eiben und ist bei ihnen besonders ausgeprägt – es entwickelt sich daher im Umfeld von alten Eiben oft eine interessante „Szene“ von Baumliebhabern. Das war mir auch schon an anderen Eibenkandidaten unter unseren Nationalerbe-Bäumen aufgefallen und ist in England mit den vielen deutlich älteren Eiben und mehr naturverbundenen Menschen noch viel stärker entwickelt. Eine weitere, fast ebenso starke und alte Eibe mit viel kürzerem Stamm befindet sich hier direkt am Umweltzentrum, und interessant: die dortige ist weiblich (entwickelt Samen), diese hier ist männlich und wird von der anderen zum Bestäuben gebraucht – sonst bringt sie keine Samen zustande.

Nicht weit von unserer Eibe im Klosterpark, näher am Umweltzentrum gibt es auch sehenswert den Klostergarten, mit vielen interessanten Kräutern und reichlich Veranstaltungen übers Jahr zu ihrer Nutzung. Zudem befindet sich nordwestlich angrenzend zum Sportplatz eine alte germanische Thingstätte, heute als Heiligtum bezeichnet: von einem 60 cm hohen Wall umgeben mit einer Eiche im Zentrum und rundherum 12 Linden – sehr beeindruckend und hervorragend zur Eibe passend.

 Text und Bilder: Andreas Roloff, TU Dresden