Alte Eibe am Schloss Erbhof in Thedinghausen (bei Bremen, Niedersachsen)
Baumart | Europäische Eibe (Taxus baccata) |
Standort: | Samtgemeinde Thedinghausen im Landkreis Verden; direkt nordwestlich am Schloss Erbhof (dort Parkplätze), Braunschweiger Str. 1, 27321 Thedinghausen; Bundesland: Niedersachsen |
Alter: | ca. 405 Jahre (vermutlich 1621 vierjährig gepflanzt: zur Schlossvollendung) |
Stammumfang: | 4,82 m in 1,3 m Stammhöhe (gemessen Dez. 2022) |
Höhe: | ca. 14 m |
GPS-Daten: | N 52.961339, O 9.029814 |
NEB seit: | 18. August 2023 (Bericht & Fotos) |
Dies dürfte nicht nur die dickste öffentlich zugängliche Eibe Deutschlands sein, sondern auch eine der besonders schönen mit vollkommen intakter, ca. 21 m breiter Krone und einem gut sichtbaren starken Stamm. Die Stämme vieler Eiben solcher Ausmaße sind oft durch die herunterhängenden immergrünen Zweige bzw. ihre Nadeln verdeckt, was Eiben leider meist so unauffällig macht, dass man sie aus der Entfernung kommend oder vorbeigehend für einen großen Strauch halten kann und kaum bemerkt. Zudem ist bei dieser Eibe der Wurzelbereich schon seit Jahrzehnten durch eine vollkommen geschlossene Efeubedeckung geschützt. Dieser „heilige Raum“ unter der Krone soll nun noch durch Auslegen von Findlingen rund um den Baum verstärkt und verdeutlicht werden.
Diese Eibe könnte daher in Zukunft Ausmaße und eine Wirkung wie die vielen uralten englischen Eiben erreichen, was natürlich noch etwas dauern wird – wenn sie weiter in demselben Maß wächst wie bisher, wäre das in 300-400 Jahren möglich. Also ist etwas Geduld angesagt… In England stehen viele bis über 1500 Jahre uralte Eiben auf Kirchhöfen und waren dadurch Jahrhunderte lang vor der Nutzung ihres Holzes geschützt. Das ist nämlich im Mittelalter äußerst begehrt gewesen z.B. für Bogenbau, womit die Engländer ja etliche strategisch entscheidende Auseinandersetzungen gewonnen haben. Auch der älteste gefundene Speer eines Neandertalers war aus Eibenholz! In Deutschland war und ist der Schutz von Eiben auf Kirchhöfen kaum gegeben, denn dort stehen hier meistens Linden oder Eichen, und so findet man kaum noch wirklich alte Eiben hierzulande.
Da diese Eibe eine vollkommen intakte Krone hat, sind keine Pflegearbeiten notwendig. Und weil der Gemeinde die Besonderheit dieses Baumes gar nicht so bewusst war, ist sie lange Zeit „einfach vor sich hingewachsen“. Nun kommt sie mehr ins Rampenlicht, und ab und zu werden Gäste des Ortes oder ein Hochzeitspaar ehrfürchtig vor dem Baum stehenbleiben.
Eiben bilden meist mehrstämmige oder tief angesetzte Kronen und können 2.000 Jahre alt werden. Auffallend an der Baumart ist ihre durch die immergrünen Nadeln relativ dunkle und oft sehr dichte Krone. Ältere Exemplare wirken daher monumental und waren früher ideale und beliebte Bäume zur Betonung von Kultstätten: den Kelten galt sie als heiliger Baum, den Germanen als Sinnbild für Ewigkeit. Beeindruckend ist zudem ihre enorme Schattentoleranz, so dass Eiben problemlos dauerhaft unter allen anderen Baumarten und Bäumen wachsen können. Wildexemplare der Eibe sind so selten, dass sie als eine von nur ganz wenigen Baumarten in Deutschland nach der Bundesartenschutz-Verordnung streng geschützt sind.
Die immergrünen Nadeln symbolisieren das ewige Leben. Sie bleiben ca. 8 Jahre am Zweig und sind besonders ausgeprägt an Sonne oder Schatten angepasst. Dies hat zur Folge, dass man beim Verpflanzen älterer Eiben die Himmelsrichtung der Kronenseiten einhalten muss (z.B. mit Hilfe einer Markierung an der Nordseite), damit die Schattennadeln nach dem Verpflanzen weiterhin nach Norden und die Sonnennadeln nach Süden orientiert sind. Sonst kann es zum Nadelsterben und im Extremfall sogar zum Absterben des Baumes führen – dies auch bei plötzlicher Freistellung einer Eibe aus dem Schatten, das nimmt sie sehr übel.
Eiben sind besonders langsamwüchsig: sowohl ihre kurzen Jahrestriebe als auch die schmalen Jahrringe führen nur allmählich zu einer größer werdenden Krone und einem dicker werdenden Stamm. Dieser ist sehr oft auffallend wulstig und rippig, wie auch bei diesem Baum mit zahlreichen Stammaustrieben. Ihre farbigen Borkeschuppen leuchten meist rötlich, zudem hat dieser Baum eine Trichterform des Stammes durch die zahlreichen steilen und tief angesetzten Äste.
Die Eibe ist ein Nadelbaum, der aber ähnlich Wacholder und Ginkgo keine Zapfen trägt, sondern fleischige „Beeren“: die reifen Samen leuchten im Herbst und Winter mit ihrer roten Umhüllung. Allerdings sind Eiben zweihäusig: so bezeichnet man es botanisch, wenn weibliche und männliche Blüten nur auf getrennten Bäumen vorkommen, es also nur Eibenfrauen oder -männer gibt. Dieser Baum ist eine weibliche Eibe, die sich also auch durch ihre Sämlinge ausbreiten kann.
Und „gleich um die Ecke“ (auf der gegenüberliegenden Seite des Schlosses) gibt es noch ein weiteres Baum-Highlight vor Ort: Auf Intention des Altbürgermeisters Hans Schröder wurde 2004/2005 auf einer Fläche von 11 ha ein Baumpark angelegt als „Arboretum des Nordens“. Er zeigt eine Vielzahl von Laubbaumarten und -sorten aus der gemäßigten Klimazone. Der Bestand umfasst insgesamt 71 Baumgattungen, bestehend aus 450 Arten und Sorten. Von diesen kommen viele mit Erwärmung und häufigeren Trockenjahren gut klar und werden daher neuerdings als Klima- oder Zukunftsbäume bezeichnet. Die Bäume hier im Park sind inzwischen über 20 Jahre alt (sie wurden 2005/06 mit einem Alter von 5-10 Jahren gepflanzt) und lassen die baumarttypischen Eigenschaften besonders gut erkennen. Dieser Baumhain ist äußerst sehenswert und zudem ein wunderschöner Park mit phantastischer Erläuterungs- und Übersichtstafel sowie Flyer. Dafür sollten Sie als Bauminteressierte dann noch einen ein- bis zweistündigen schönen Spaziergang auf geschwungenen Wegen und mit Blick in die typisch norddeutsch platte Landschaft einplanen. Ich habe das schon mehrmals sehr genossen. Monatlich werden Führungen durch Schloss und Park angeboten.
Das Schloss Erbhof wurde 1619-21 erbaut als fürstliche Residenz des damaligen Bremer Erzbischofs Johann Friedrich, der Landesherr des Erzbistums Bremen und damit auch des Amtes Thedinghausen war. Dabei könnte auch diese Eibe gepflanzt worden sein – das ist zwar nicht sicher, aber eine schöne Vorstellung und passt gut zu ihrer Stamm- und Kronendimension. Nach wechselvoller Geschichte des Schlosses über die 4 Jahrhunderte wurde 1999 die Samtgemeinde Thedinghausen seine Eigentümerin und damit eines der überregional bedeutendsten profanen Baudenkmale. Im Jahr 2000 hat sich der Verein „Förderkreis Erbhof zu Thedinghausen e.V.“ gegründet, mit der Zielsetzung, dieses kulturelle Erbe langfristig zu erhalten. In den Jahren 2011 bis 2014 fanden umfangreiche Baumaßnahmen im Schloss statt, nach deren Abschluss es für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde.
Darin befindet sich heute die Tourist-Information und im 1. Stock des Gebäudes eine Dauerausstellung über das Schloss Erbhof mit eindrucksvollen historischen Exponaten. Besonders sehenswert ist der originalgetreu wiederhergestellte Renaissancesaal mit handgeschnitzten Fensterstöcken und bemalten Deckenbalken, in dem es kulturelle Veranstaltungen gibt und wo in historischem Ambiente geheiratet werden kann.
Alljährlich finden auf den Wiesen um das Schloss, auf dem Schlossplatz und im Baumpark etliche kulturelle, musikalische und sportliche Veranstaltungen und Feste statt, in jüngerer Zeit bis vor Corona auch jährliche Gartentage, die ich 2018 sogar zufällig zusammen mit meiner Mutter beim Besuch der Eibe miterleben konnte.
Text und Bilder: Andreas Roloff, TU Dresden