Hohler Baum (Burglinde) am Schloss Homberg (Ohm), Hessen
Baumart | Sommer-Linde (Tilia plyatyphyllos) |
Standort: | links vor dem Eingang zum Schloss: am Ende vom Sträßchen „An der Schlossmauer“ auf einer kleinen Erhöhung mit dahinter befindlichen historischen Gräbern vor der Schlossmauer; Stadt Homberg (Ohm), Vogelsbergkreis, Oberhessen |
Alter: | ca. 750 Jahre (600-800 Jahre, hergeleitet aus Stammdimension, -strukturen sowie Standort und Historie) |
Stammumfang: | 9,40 m in 1,2 m Stammhöhe (Taille, gemessen Jan. 2024) |
Höhe: | ca. 22 m |
GPS-Daten: | N 50.727726, O 8.999552 |
NEB seit: | 20. April 2024 (Bericht & Fotos) |
Man kann den Baum nicht verfehlen, es empfiehlt sich aber bei Anreise mit dem Auto unbedingt, das Fahrzeug schon in der Unterstadt abzustellen, da im Ort die Parkplätze sehr begrenzt sind und man sonst auch das Erleben des Erwanderns durch die wunderhübsche kleine Fachwerkstadt mit sehr engen Sträßchen verpassen würde. Denn dabei hat man so viel Schönes anzusehen, wodurch das Schlendern durchaus eine halbe Stunde dauern kann und darf – mit schnelleren Schritten, und ohne rechts und links zu schauen, braucht es 10 min für den Aufstieg bis zum Schloss und zur Linde. Von dort oben hat man einen phantastischen Ausblick über das Städtchen und rundherum in die traumhafte Landschaft mit dem Ohmtal. Damit wird sogar der „Aufstieg“ belohnt – und DANN steht dort ja dieser Linden-Methusalem!
Man sieht sofort, warum die Linde im Ort schon lange einfach nur Hohler Baum genannt wird: sie ist so hohl, dass sogar „Nachwächterführungen“ dort angeboten werden, wobei aus dem Baum eine Stimme spricht und dies bei Kindern (und Erwachsenen ebenso) natürlich enorm Eindruck macht. Zudem gehört zum Baumbesuch seit langer Zeit dazu, dass man durch den Baum hindurchgeht, da er einen Ein- und Ausgang sowie im Inneren einen Rundgang hat. Der Baumbesuch ist bei Kita-Gruppen, Schulklassen und Stadtführungen fest im Programm verankert. Mir war erst nicht ganz wohl bei dieser Vorstellung und wir haben diskutiert, wie man nun damit umgeht. Aber es bleibt nur, auf Rücksicht zu hoffen, die bei Baumliebhabern ja meist doch gut entwickelt ist.
Der Hohle Baum ist also eine Linde, bei der es nicht nur um Fakten und Baumverstehen geht, sondern ausdrücklich auch Emotionen zugelassen sind. Sicher spielt für diese Besonderheit zudem der Wuchsort eine Rolle: er steht so exponiert dort oben kurz unter dem Himmel, dass man wirklich an Elfen, Baumgeister und Zauberer glauben möchte – genießen Sie es!
Vor etwa 100 Jahren ist die komplette Krone der Hohlen Linde in 6 m Höhe bei einem Gewittersturm abgebrochen – daher muss man an diesem Baumveteran nun noch mehr bewundern, was so eine alte Linde alles „wegstecken“ kann. Bis vor einigen Jahren war das Burggelände in Privatbesitz und ein Besuch am und im Schloss nicht möglich. Seit 2012 ist aber alles im Eigentum der Stadt und nun öffentlich zugänglich, und ein Förderverein ‚Schlosspatrioten‘ setzt sich für die Erhaltung des Schlosses ein, organisiert kulturelle Veranstaltungen und kümmert sich intensiv um Recherchen zur Schloss-, Linden- und Stadt-Historie.
Nach ausgiebigem Erlebnisgenuss mit allen Sinnen incl. Laufen möglichst ohne Schuhe im Baum („Baumbaden“ nennt sich das heutzutage) erwartet Sie dann im Schloss noch ein uriges kleines Schlosscafé (Öffnungszeiten checken: meist am Sonntag-Nachmittag). Und wenn Sie dann gestärkt sind oder das Café geschlossen hat, sehen Sie sich noch die zweite alte Linde an: in(!) der Schlossmauer oberhalb – dieser Baum ist tatsächlich eine Winter-Linde. Sie ist ziemlich genau 400 Jahre alt, da sie auf dem Gewölbe eines historischen Wasserbehälters steht, der beurkundet vor 400 Jahren gebaut wurde, und sie hat einen beeindruckenden Stammumfang von über 7,50 m (schwierig messbar wegen der Mauer…). Mit ihrem noch höher gelegenen und im Boden felsigen, daher eigentlich noch trockeneren Standort als bei der Hohlen Linde wäre sie mit ihrer Stammstärke als Winter-Linde an anderen Wuchsorten schon viel älter (da Winter-Linden langsamer wachsen und kleiner bleiben als Sommer-Linden), aber sie steht auf dem gemauerten Wasserbehälter für die Burg und hat garantiert seit 350 Jahren ihre Wurzeln darin und ist deshalb sogar schneller gewachsen als die Hohle Linde.
Es wurde und wird hier also mal wieder nicht langweilig bei den Baum-Recherchen! Und es gibt dort sicher noch viel mehr zu entdecken und zu erleben…
Text und Bilder: Andreas Roloff, TU Dresden