„Käppeles-Linde“ (Sommer-Linde) in Hochmössingen
Baumart | Sommer-Linde (Tilia platyphyllos) |
Standort: | Nordausgang von Hochmössingen vor der Agatha-Kapelle, an der Dornhaner Straße gegenüber Nr. 56, Abzweigung Römlinsdorfer Straße. |
Alter: | ca. 600 (500-800 sind möglich) |
Stammumfang: | etwa 7,90 m |
Höhe: | 18 m |
GPS-Daten: | N 48.314070, O 8.531666 |
NEB seit: | 26. September 2020 (Bericht & Fotos) |
Mit ca. 7,90 m Stammumfang ist die „Käppeles-Linde“ (Sommer-Linde) in Hochmössingen eine der stärksten Linden Deutschlands, bei einem Alter von etwa 600 Jahren. 500-800 Jahre sind möglich, aufgrund des Standortes auf einer Geländeerhebung zwischen 2 Dorfstraßen kann durchaus der Höchstwert zutreffen. Für eine genaue Datierung müsste man Jahrringe messen und dafür einen Bohrspan aus dem Stamm entnehmen, was man diesem kostbaren Baum nicht antun möchte. Zudem ist der intakte Stammmantel viel zu dünn, als dass man dadurch genug Jahrringe erhalten würde – es bleibt also bei Vermutungen, aber die sind spannend bei solchen Methusalembäumen. In der Regel wird vor Ort großzügig gerundet, auch zu diesem Baum gibt es Beschreibungen einer 1000-jährigen Linde. In Hochmössingen ist man damit aber eher zurückhaltend, nennt häufiger vorsichtige 600 Jahre als Alter und überlässt die genaue Altersbeurteilung den Experten.
Ihr Wuchsort soll schon in vorchristlicher Zeit strategische Bedeutung gehabt haben, vermutlich aufgrund seiner exponierten Lage, die einen weiten Blick ins Umland ermöglicht. Darauf deuten keltische Gräberfelder in der Nähe hin. An ihrem Standort ist die Linde sehr dem Wind ausgesetzt.
Die Linde ist ein einzigartig urig anmutendes Gebilde und hat einen bizarr geformten, vollkommen hohlen Stamm mit „Höhleneingang“. Es wird gemutmaßt, dass es der älteste Baum Baden-Württembergs sein könnte. 1000 Jahre ist das Naturdenkmal sicher noch nicht alt, aber 800 Jahre können es sein. Allerdings wurde die jetzt dort stehende Agatha-Kapelle 1480 erbaut – sollte der Baum damals gepflanzt worden sein, wäre er „nur“ 540 Jahre alt. Es hat aber wohl dort zuvor schon eine andere Kirche gestanden. Und bereits in einer Oberamtsbeschreibung aus dem Jahr 1868 steht geschrieben, die Linde sei „uralt, ganz hohl und von den Stürmen halb zerschlagen“. Besonders im Frühjahr ist es immer wieder ein Wunder, wenn dieser hohle Methusalembaum seine Kräfte mobilisiert und neue Blätter an neuen Zweigen austreibt, neue Jahrringe anlegt und neue Wurzeln entwickelt.
Diese Linde beindruckt offensichtlich die Menschen seit vielen Generationen. Schon in alten Schriften wird sie beschrieben und erwähnt. So schrieb auch der irische Schriftsteller James Henry 1859 über seine Fußreise von Karlsruhe nach Bassano in Italien, und darin auch von diesem eindrucksvollen, ausgehöhlten Lindenbaum, durch den man in den Himmel aufblicken kann. Nach geschichtlicher Überlieferung wurde bereits während des 30-jährigen Krieges von den Schweden rund um diese Linde gekämpft, die Kapelle von 1480 brannte damals 1634 vollkommen ab und blieb bis 1698 in Trümmern.
Die Dorflinde ist innen so komplett hohl, dass man sich wundert, wie sie ihre Krone noch mit Wasser und ihre Wurzeln noch mit Zucker versorgen kann. In die Stammhöhlung passt eine Schulklasse mit 20 Kindern! Der „Höhleneingang“ in die Linde hat eine gotische Spitzbogenform und ist fast 1,50 m hoch und 1 m breit, zudem gibt es mehrere „Fenster“ (Löcher im Stammmantel), durch die man hinausschauen oder -steigen kann. Er ähnelt dadurch einer Kapelle. Auch das obere Ende des Stammes ist ein großes Loch wie bei einem Kamin. Dadurch blickt man, in der Linde stehend, in die Krone und im Winter in den Himmel. Es sind Kronensicherungen eingebaut und an zwei Stellen große Äste abgestützt, was zeigt, dass die Kontrolle und Erhaltung der Verkehrssicherheit des Baumes sehr ernst genommen wird. Der Baum sollte bereits in den 1960er Jahren entsprechend einem kritischen Gutachten abgesägt werden, weil er nicht mehr sicher sei. Er lebt aber immer noch, und es geht ihm bestens.
Die Linde befindet sich insgesamt in einem sehr guten Pflegezustand, ein Ast ist kürzlich abgestorben, wo man überlegen muss, wie damit umgegangen wird. Der Baum sieht bereits seit langer Zeit so aus, denn verschiedene Quellen aus dem 19. Jhdt. beschreiben ihn schon in diesem ausgehöhlten Zustand. In Sichtweite der Linde stehen noch vier weitere Linden, die ebenfalls als Naturdenkmäler ausgewiesen sind, aber nicht die Stammstärke dieser Linde erreichen.
Der Stammumfang beträgt derzeit 7,90 m in 1,4 m Stammhöhe. Die Restwandstärke (der noch intakte Mantel des Stammes) ist etwa 5-20 cm dick, sehr fest und trägt die große, 18 m hohe Krone. Dies ist sehr eindrucksvoll, wie auch der Wuchsort: vor der Kapelle, hinter einem Steinkreuz, zwischen 2 Straßen auf einer Erhebung, die von Mauern zur tiefer gelegenen Fahrbahn eingefasst ist. Die Gestalt dieser Linde mit ihrem beachtlichen Umfang und vollkommen hohlen und begehbaren Stamm, aber fast intakter Restwand des Stammes ist einmalig in Deutschland.
Text von Andreas Roloff, TU Dresden
Baumpflege- und Sicherungsmaßnahmen (großteils erfolgt):
- Überprüfung der Verkehrssicherheit und Einschätzung der Lebenserwartung
- routinemäßige Kronenpflege
- Optimierung des Stammumfeldes
- Kontrolle der vorhandenen Kronensicherungen
- vorsichtige Einkürzung von überhängenden Kronenteilen
- Kontrolle und ggf. Einkürzung eines abgestorbenen Stämmlings